Zwischen Sisteron und La Motte du Caire, 24. März 2005

Schon beim ersten Blick erkenne ich die dunkle Gestalt auf dem Asphalt der Nebenstraße. Es hätte auch ein Kastanienblatt sein können, von der Trockenheit gekrümmt, schwarz gegerbt, nun glänzend vom Regen der endlich fällt.

Ich steure daran vorbei, dabei bemerke ich gelbe Flecken. Ich halte an, setze zurück, darauf bedacht nicht darüber zu fahren. Ich glaube es ist ein Salamander, ich kenne diese Tiere nur von Abbildungen. Ich bin nicht sicher, ob er noch lebt. Der Schwanz scheint am Rumpfansatz abgeknickt, steht hoch, die Silhoutte erinnert an einen Skorpion in Angriffstellung. Der Rumpf ist auf den Boden gepreßt, die Augen geschlossen, die Hinterbeine liegen flach auf dem Straßenbelag, vom Körper abgespreizt; dazwischen sickert Blut hervor, vermischt sich mit dem Regenwasser, wird dabei verdünnt, es ist genauso rot wie meines.

Ich wage nicht ihn anzufassen, ich suche einen Stock. Damit stupse ich ihn an, ich habe gelesen, daß die Haut giftig sei – der wahre Grund ist meine Angst vor seinem Sterben. Er lebt noch, versucht das Gleichgewicht zu halten, öffnet seine Augen jedoch nicht.

Ich stelle mir dieses Ende vor: aushalten, verdämmern. Ich überlege wie ich ihn töten könnte, mit dem Auto überrollen: ich kann es nicht. Mit dem Stock wälze ich ihn von der Straße. Der Salamander bemüht sich wieder in die Bauchlage zu gelangen. Ich werfe das Holz in den Straßengraben, kehre zum Auto zurück, steige ein und fahre an.

Er lag dort, als erwarte er das nächste Fahrzeug. Ich hatte aus Mitleid sein Leiden verlängert.

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